Verzeihen
Verzeihen
Verzeihen ist eine psychische Kapazität und Qualität auf Rache oder Vergeltung, aufgrund einer mehr oder weniger großen narzistischen Kränkung, zu „verzichten“.
In Wahrheit ist es kein Verzicht, sondern die Rache oder Vergeltung erübrigt sich oder wird hinfällig durch Bewusstseinswandel.
Betrachtenswert sind hier für mich nicht lapidare Kleinigkeiten, sondern massive Verletzungen wie Betrug, Lüge, Verrat, massive Beleidigungen, Kränkungen, Entwürdigungen aller Art usw. weil diese Verletzungen oft sehr starke Gefühle mit entsprechend heftigen Reaktionen bis hin zum Rachemord zur vermeintlichen Wiederherstellung verloren geglaubter Ehre evozieren.
Doch nichts passiert unbegründet, und schon gar nicht eine tiefgreifende Verletzung. Daher ist für ein wirksames, stabiles und nachhaltiges Verzeihen sowie für die dafür nötige Angehensweise es essentiell zu wissen, warum man in diese verletzte Lage überhaupt gekommen ist. Diese hat immer einen Seelenentwicklungswert, auch wenn dieser in der Betroffenenlage vielleicht nicht so ohne weiteres zu erkennen ist.
Das selbstreflexive Erkennen der leidvollen aber „entwicklungsnötigen“ Verletzungserfahrung ist der Schlüssel beim Verzeihen. Mit diesem Situationsbewusstsein wird der „Verletzer“ zum Seelenentwicklungshelfer und nicht mehr zum Aggressor demgegenüber jeglicher Rache oder Vergeltung angemessen scheint. Durch diese Sichtumkehr wendet sich die Aufmerksamkeit und die vitale Energie auf sich selbst und die entsprechend nötige Wandlung eigener Defizite und nicht mehr aggressionsgeschwängert auf den anderen, was keine Problemlösung kreiert sondern Lebensenergie verbrennt und krank macht. Es gilt wieder mal: Das Bewusstsein schafft das Sein. Dazu gehören auch die Emotionen.
Verzeihen ist, so gesehen, keine rationale Entscheidung oder Ergebnis eines in Netz vielfach empfohlenen Punkterituals, sondern eine auf sich bezogene und selbstverantwortlich gesehene Reflexion einer leidvollen, kränkenden Erfahrung mit entsprechend folgendem Umgang und Erleben.
Diese Betrachtung hat nicht nur situativ entspannenden Wert, sondern schärft die Selbstreflexion, Vorbeugung und Sensibilisierung für affine zukünftige bedrohliche Situationen. Ich muss also nicht immer wieder neu in dieser Sache verzeihen, weil ich durch eigene psychische Wandlung und Qualifizierung mit diesem Themas schon gar nicht mehr in die Wiederholungsstiuation komme. Aber meist hat man ja weitere Themen bei denen man sich durch Sichtumkehr im Selbstbewusstsein entwickeln kann. Verzeihen will geübt werden.
Verzeihen ist ein heilsames Anwendungsbeispiel selbstbezogener Bewusstheit im Falle massiver Kränkung.